Kia EV3 im Alltagstest: Was kann der Stromer wirklich?

Aerodynamisch optimiert: Die fließenden Konturen und die geschlossenen Felgen sorgen nicht nur für eine futuristische Optik, sondern auch für eine verbesserte Effizienz. (Foto: Kia)
Der Inhalt im Überblick:
  • Der Kia EV3 ist ein Elektro-SUV, der Komfort, moderne Technologie und ein ansprechendes Design verspricht. Doch wie schlägt sich der Koreaner im Alltag?


  • Im Mischbetrieb aus Autobahn, Stadt und Landstraße pendelte sich der Verbrauch bei unserer Testfahrt bei 23,4 kWh/100 km ein.


  • Laut Kia ist der EV3 bereits für intelligentes Laden (V2X) vorbereitet, also für Vehicle-to-Grid (V2G), Vehicle-to-Home (V2H) oder Vehicle-to-Building (V2B).


Manchmal beginnt ein Abenteuer, ohne dass man es erwartet. Ein markantes Äußeres, ein violetter LED-Streifen, ein piepsender Bordcomputer und Türen, die sich wie von Zauberhand öffnen. Der Kia EV3 verspricht eine Mischung aus Zukunftstechnologie und Alltagstauglichkeit. Doch was kann er wirklich – und wo liegen die Tücken?

Die Elektromobilität hat die Automobilwelt verändert – vor allem was die Vielfalt elektronischer Features betrifft. Mit dem Kia EV3 kommt nun ein Elektro-SUV auf den Markt, der Komfort, moderne Technologie und ein ansprechendes Design verspricht. Doch wie schlägt sich der Koreaner im Alltag? In diesem Test gehen wir auf eine Vielzahl an Details ein: vom Fahrgefühl über die Ladeerfahrung bis hin zu den kleinen Alltagsproblemen.

Akustische Signale: Sicherheit oder Stressfaktor?

Ein dominantes Thema bei Neufahrzeugen – so auch beim EV3 – sind die akustischen (Warn-)Signale. Das Fahrzeug piepst (gefühlt) in allen Lebenslagen – so auch bei Geschwindigkeitsüberschreitungen und sogar, wenn man kurz seinen Blick von der Fahrbahn abwendet. Das kann schnell nerven, auch wenn die Sicherheitsintention dahinter nachvollziehbar und gesetzlich vorgeschrieben ist. Denn seit 7. Juli 2024 ist das sogenannte „Intelligence Speed Assistance (ISA)“ für Neuwagen vorgeschrieben. Laut Kia kann der „Tempolimitwarner“ zwar deaktiviert werden – ein 3-sekündiger Druck auf die Mute-Taste reicht dafür aus. Allerdings ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass diese Funktion bei jedem Fahrzeugstart erneut aktiv ist. Vorschriften sei Dank! Wir behaupten, dass eine derartige Flut an Signalen speziell bei Fahrern höheren Alters den Stresslevel heben könnte und der Wunsch nach mehr Sicherheit im Straßenverkehr damit nach hinten losgehen könnte.

Innenraum: Minimalismus trifft auf Komfort

Nachdem man im Cockpit des Kia EV3 Platz genommen hat, merkt man sofort: Hier wurde auf Übersichtlichkeit gesetzt. Das Interieur ist sauber und modern gestaltet, ohne überladen zu wirken. Besonders ins Auge fällt neben dem großen Display die LED-Ambientebeleuchtung, die sich als durchgehender Streifen über das Armaturenbrett und die Türen erstreckt – bei unserem Fahrantritt in einem kräftigen Violett leuchtend. Dieses Design-Element könnte polarisieren – die einen werden es futuristisch finden, andere vielleicht zu verspielt. Aber praktisch: Die Ambientebeleuchtung passt sich dem Fahrmodus an und kann in Farbe und Helligkeit individuell verändert werden. Wer will, kann auch völlig darauf verzichten.

Die Materialien des Innenraums sind für diese Preisklasse beeindruckend. Die Mittelkonsole hat eine Oberfläche, die an eine Designer-Küchenplatte erinnert – robust, hochwertig und pflegeleicht. Das Armaturenbrett kombiniert Kunststoff mit eleganten Details und sorgt für eine angenehme Haptik.

 

Sitzkomfort: Von Belüftung bis Heizung perfekt abgestimmt

Die Sitze des Kia EV3 sind nicht nur optisch ansprechend, sondern auch ein ergonomisches Highlight. Sie bieten eine angenehme Polsterung und sind für lange Fahrten bestens geeignet. Sowohl Fahrer als auch Beifahrer profitieren von Sitzheizung und Sitzbelüftung, die sich nach Wunsch automatisch an die Klimaanlageneinstellung anpassen lassen.

Apropos Einstellungen: Anstatt das Armaturenbrett und die Mittelkonsole nur flüchtig zu scannen und aus reiner Gewohnheit alle Einstellungen im digitalen Menü zu suchen, hätte ein einfacher Blick auf die Türen genügt, um das Tastenfeld für Sitzheizung und Sitzbelüftung zu entdecken. Ein kleines, aber durchdachtes Detail, das zeigt, dass Kia den Spagat zwischen moderner Technologie und bewährten Bedienelementen gekonnt meistert.

Platzangebot: Großzügig, aber nicht perfekt

Auch auf der Rückbank gibt es Positives zu berichten: Trotz meiner Körpergröße von 1,86 Metern hatte ich genügend Kopffreiheit. Im Fond bietet der EV3 ausreichend Platz für Passagiere, auch wenn große Mitfahrer bei zurückgeschobenen Vordersitzen an ihre Grenzen stoßen könnten.

Was den Kofferraum betrifft, zeigt sich ein kleines Manko: Die elektrische Heckklappe öffnet für größere Personen wie mich nicht weit genug. Beim Be- und Entladen musste mein Kopf das schmerzhaft feststellen. Eine Höhenverstellung der Heckklappe gibt es leider nicht, wie mir Kia bestätigte.

Ein Pluspunkt: Das Einsteigen wird durch die automatische Sitzverstellung erleichtert. Sobald die Tür geöffnet wird, fahren die Sitze nach hinten und ermöglichen so ein komfortables Ein- und Aussteigen.

Türen: Futuristisch, aber gewöhnungsbedürftig

Die Türen des Kia EV3 heben sich von der Masse ab. Die Vordertüren haben versenkbare Griffe, die erst sichtbar werden, wenn man sich mit dem Schlüssel nähert. Die hinteren Türen verzichten komplett auf sichtbare Griffe und lassen sich über einen versteckten Mechanismus öffnen. Das ist optisch ansprechend, könnte aber für weniger technikaffine Nutzer eine Herausforderung darstellen.

 

Technik und Digitalisierung: Stärken und Schwächen

Der Kia EV3 punktet mit einer beeindruckenden Palette an digitalen Funktionen. Das 12,3-Zoll-Navigationssystem ist gestochen scharf und zeigt nicht nur Karten, sondern auch Verbrauchsdaten, Fahrmodi und vieles mehr an. Besonders praktisch: Die schnelle Verbindung mit dem Smartphone zu Android Auto oder Apple CarPlay, die in wenigen Sekunden aufgebaut wird.

Ein Highlight ist die Rückfahrkamera mit 360°-Ansicht. Sie liefert ein klares Bild und hilft enorm beim Einparken. Wir hatten uns gefragt, warum sich die Seitenspiegel nicht automatisch beim Rückwärtsfahren absenken. Die hilfreiche Antwort von Kia lautete daraufhin: „Die Spiegel senken sich dann ab, wenn der Kippschalter für die Spiegelverstellung auf links oder rechts steht. Ist er in der Mitte, bleibt die Funktion deaktiviert.“ – gut zu wissen!

 

Fahrerlebnis: Dynamisch, ruhig und komfortabel

Der Kia EV3 mit seinem Vorderradantrieb bietet mehrere Fahrmodi: ECO, NORMAL, SPORT, MY DRIVE und SNOW. Der ECO-Modus sorgt für maximale Effizienz und minimiert den Energieverbrauch. Im SPORT-Modus zeigt der 150 kW-Motor des EV3 seine dynamische Seite, durch eine direktere Gasannahme und eine straffere Lenkung.

Auf der Autobahn bei 130 km/h lag der Verbrauch bei 25 kWh/100 km. Im Mischbetrieb aus Autobahn, Stadt und Landstraße pendelte sich der Verbrauch bei unserer Testfahrt bei 23,4 kWh/100 km ein. Insgesamt lag der durchschnittliche Verbrauch nach rund 1.300 km bei 22,5 kWh/100 km, was für ein E-SUV bedingt durch einen höheren CW-Wert in Ordnung ist. Auch die Messergebnisse des ÖAMTC-Winterreichweitentests ergaben mit 24,2 kWh/100 km ein ähnliches Ergebnis wie unsere Fahrerlebnisse – was laut den Profitestern des Autofahrerclubs statt den 586 km Reichweite nach WLTP zu einer Reichweite von realen 350 km im Winterbetrieb führte.

Besonders angenehm war übrigens auch die geringe Außengeräuschentwicklung. Nur die Abrollgeräusche der Reifen sind wahrnehmbar, ansonsten bleibt es angenehm leise im Innenraum.

Laden und Reichweite: Für den Alltag geeignet

Bei der Planung des Ladevorgangs sollte man beachten, dass die Vorkonditionierung der Batterie – um die Ladeleistung durch Temperierung zu optimieren – nur automatisch funktioniert, wenn man eine Ladestation über das bordeigene Navigationssystem ansteuert. Nutzt man hingegen Android Auto oder Apple CarPlay, muss die Vorkonditionierung manuell aktiviert werden – das wurde mir von Kia auch so bestätigt. An der Ladestelle angeschlossen schwankte die Ladeleistung des Kia EV3 bei unserem Test zwischen 50 und 66 kW – das war allerdings auf die EVN-Ladestation bzw. deren Netzversorgung zurückzuführen – denn auch meine „Ladenachbarin“ mit einem Tesla Model 3 verzeichnete auf Nachfrage von mir nur rund 60 kW Ladeleistung. Doch zurück zum Fahrzeug: Kia bestätigte uns zudem, dass der EV3 nicht das einzige Modell mit dem kostengünstigeren 400-Volt-System im Portfolio des koreanischen Herstellers ist – auch der Niro EV verfügt über dieses System, während EV6 und EV9 mit dem leistungsstärkeren 800 Volt arbeiten. Bei unserem Test dauerte der Ladevorgang des doch recht großen 81,4 kWh Lithium-Ionen-Polymer-Akkus von 56 % auf 80 % rund 27 Minuten – unter den gegebenen Voraussetzungen solide, aber nicht herausragend. Der bereits erwähnte ÖAMTC-Test berichtet übrigens von 169 km nachgeladener Reichweite in 20 Minuten.

Vollgeladen zeigte das Fahrzeug schließlich 437 km Restreichweite an – das ist nicht die Welt, allerdings sind laut Display auch ein Maximalwert von 736 km, beziehungsweise ein Minimalwert von 318 km möglich – wir haben uns im Zuge unserer Testfahrt in der Mitte eingependelt.

Vehicle-to-Load und intelligente Ladefunktionen

Der Kia EV3 verfügt über eine V2L-Funktion (Vehicle-to-Load), mit der externe Geräte über den Akku des Fahrzeugs betrieben werden können. Laut Kia ist der EV3 bereits für intelligentes Laden (V2X) vorbereitet, also für Vehicle-to-Grid (V2G), Vehicle-to-Home (V2H) oder Vehicle-to-Building (V2B). Allerdings hängt die praktische Umsetzung davon ab, ob die Stromanbieter entsprechende Standards unterstützen – und das ist aktuell noch nicht überall der Fall.

Ausstattung und Modellreihen: Für jeden etwas dabei

Der Kia EV3 ist in vier Modellvarianten erhältlich:

  • Air (ab 36.840 €): Solide Basis mit guter Grundausstattung.
  • Earth (ab 45.840 €): Mehr Komfort und zusätzliche Sicherheitsfeatures.
  • Earth Plus (ab 49.190 €): Premium-Funktionen wie eine 360°-Kamera und elektrische Heckklappe.
  • GT-Line (ab 53.190 €): Das Topmodell mit Harman Kardon Soundsystem, Head-Up-Display und Premium-Sitzen.

Die Preise sind konkurrenzfähig, und die Ausstattungsliste lässt kaum Wünsche offen.

Fazit: Ein solider Begleiter mit einem starken Äußeren

Der Kia EV3 überzeugt durch Komfort, modernes Design und eine breite Palette an Features. Seine – aus unserer Sicht – kleinen Schwächen liegen in der Ladeleistung und einer teils komplexen Bedienung, die besonders für ältere Fahrer herausfordernd sein könnte. Dennoch ist er ein attraktiver Begleiter für den Alltag – vor allem für Fahrer, die auf moderne Technik und ein angenehmes Fahrerlebnis Wert legen.