Die Medien sind voll mit Meldungen wie diesen: Für den Strom aus der Sonne bekommt man nur noch geringe Centbeträge vom Energieversorger bezahlt. Und wie es aussieht, wird sich die Lage auch nicht bessern – im Gegenteil. Zahlt es sich in Anbetracht dessen überhaupt noch aus, eine Photovoltaikanlage errichten zu lassen? SmartGyver sagt ja und zeigt auf, wie ein Eigenheim, das sich selbst in hohem Ausmaß mit Strom versorgt, und das Einspeisen so gering wie möglich hält, funktionieren kann.
Klingt nach Zukunftsmusik, ist aber bereits heute möglich: SmartGyver enthüllt, wie jeder mit der richtigen Technologie und cleveren Strategien beträchtlich bei den Energiekosten sparen kann, den Energieversorgern ein Schnippchen schlägt, aber gleichzeitig zur Stabilisierung der Stromnetze beiträgt. Die Redaktion hat die Schlüsselmethoden zur Verbrauchsmaximierung des Solarstroms recherchiert – Methoden, die Konsumenten noch unabhängiger von steigenden Energiepreisen machen. Lesen Sie an welchen Schräubchen man drehen sollte!
Warum man »netzdienlich« agieren soll
Hinter vorgehaltener Hand meinen manche Experten gar, dass der Preis für den eingespeisten Strom ins Negative rutschen kann. Mit anderen Worten: Wer künftig vor allem aufs Einspeisen setzt, kann damit rechnen, zur Kasse gebeten zu werden.
Darüber hinaus wird die Forderung nach netzdienlichem Verhalten von Seiten der Netzbetreiber immer lauter. Ganz egal ob Wiener Netze, Netz Niederösterreich oder der Dachverband der Energiewirtschaft »Oesterreichs Energie« – für die Betreiber der Stromnetze und deren Interessensvertretung ist »Netzdienlichkeit« das Schlagwort der Stunde. Denn nur der Strom, der am Dach des Eigenheims durch die Solarmodule produziert und auch zeitgleich an Ort und Stelle verbraucht wird, lässt die Stromnetze sinnbildlich »durchatmen«. Der »beste Strom« – nach dem eingesparten – ist jener, der gar nicht übertragen werden muss. Jede einzelne (dezentral produzierte) Kilowattstunde Strom – also all jene, die von den mittlerweile zahlreichen Dächern der ÖsterreicherInnen stammen – die über das Stromnetz zu einem anderen Abnehmer transportiert werden muss, ist für unser Stromnetz derzeit noch eine Herausforderung.
Vollgas beim Netzausbau
Die gute Nachricht dahingehend: Österreichs Netzbetreiber investieren gerade viele Milliarden Euro in den Ausbau – sie arbeiten dabei intensiv am offenen Herzen des Patienten »Stromnetz«. Alleine die EVN als Netzbetreiber in Niederösterreich investiert aktuell 3 Milliarden Euro in den Ausbau und steigert dabei die Netzkapazität von ursprünglich 1.500 Megawatt (MW) auf 6.000 MW (!) im Jahr 2030. Diese Steigerung ist notwendig, um den Strom der Photovoltaik-Anlagen von den Dächern der Österreicher:innen im Stromnetz aufzunehmen und an die Konsumenten:innen zu verteilen.
Die leider weniger gute Nachricht: Es wird noch ein paar Jahre dauern, bis der Patient den Anforderungen vollkommen gerecht wird. Denn was bisher ausschließlich in eine Richtung lief, muss jetzt auch in die andere funktionieren. Einfach heruntergebrochen: Früher produzierte ein Kraftwerk Strom und lieferte es an die Kunden: simpel. Jetzt sind manche Kunden nicht nur Stromabnehmer, sondern auch (Klein-)Kraftwerksbetreiber. D.h. sie liefern den Strom von ihrer Photovoltaikanlage, bekommen ihn aber vom Stromanbieter nach wie vor auch geliefert: sehr komplex.
Prosumer haben es selbst in der Hand
Was kann man als »Prosumer« – also als Betreiber einer Photovoltaikanlage und gleichzeitig Kunde eines Stromlieferanten – tun, um einerseits einen Beitrag zur »Netzdienlichkeit« zu leisten, aber auch Geld zu sparen?
SmartGyver hat mit den Verantwortlichen aus Netzbetreibern, Elektrotechnikern und Herstellern gesprochen und verschiedene Strategien ausgearbeitet, die helfen sollen, die Selbst- oder Eigenverbrauchsquote zu maximieren und den Energiehaushalt nachhaltig zu gestalten.
- Intelligentes Energiemanagement: Der Kern einer effizienten Nutzung von selbst produziertem Solarstrom liegt in einem intelligenten Energiemanagementsystem. Solche Systeme ermöglichen es, den Energieverbrauch an die Produktionsmuster der Photovoltaikanlage anzupassen. Beispielsweise können Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen oder Geschirrspüler automatisch zu Zeiten aktiviert werden, in denen die Energieproduktion am höchsten ist, typischerweise zur Mittagszeit bei klarem Wetter. Aber nicht nur die in so einem Fall häufig angeführten intelligenten Haushaltgeräte sind entscheidend – auch Klimaanlagen, Heizungen, Warmwasserbereitstellungs-Anlagen, Poolpumpen und Elektroautos können von diesen cleveren Systemen gemanagt werden. Dies trägt dazu bei, den Strom, der von der Photovoltaik im Moment produziert wird, sofort zu verbrauchen und damit weniger Strom aus dem Netz zu beziehen und die Kosten für den Energieverbrauch zu senken.
- Stromspeicherung: Batteriespeichersysteme spielen eine entscheidende Rolle bei der Steigerung des Eigenverbrauchs. Sie speichern überschüssigen Strom, der während des Tages generiert wird, um diesen zu einem späteren Zeitpunkt zu nutzen, etwa in den Abendstunden oder nachts. Wer sich für einen Stromspeicher und einem Energiemanagement entscheidet, der schafft, es die Eigenverbrauchsmaximierung auf 80 bis 85 % hinaufzuschrauben. Diese Technologie verbessert aber nicht nur die Energieautonomie, sondern trägt auch zur Netzstabilität bei, indem sie die Spitzenbelastungen des Netzes reduziert. Aber Achtung: Der Elektriker Ihres Vertrauens sollte die Photovoltaik-Anlage auf der Software-Ebene so justiert haben, dass die Batterie nicht gleich in der Früh geladen wird, sondern möglichst erst in der Mittagszeit. Denn zu diesem Zeitpunkt steht dem Stromnetz speziell an sonnenreichen Tagen mittlerweile so viel Strom von den Einspeisern zur Verfügung, dass ein Überangebot am Markt herrscht, die Stromnetze an ihre Grenzen stoßen und im Extremfall Kraftwerke abgeschaltet werden müssen. Da der Netzausbau derzeit in der heißen Phase ist, sollten derartige Situationen möglichst vermieden werden. Ein solches Verhalten von Prosumern nennt man in der Fachsprache »netzdienliches Verhalten« und ist in unser aller Sinne. Schließlich sollte die gesamte Bevölkerung an einem Strang ziehen und das Gemeinschaftliche in den Vordergrund rücken. Denn das Damoklesschwert von »Stromausfällen« sollte möglichst vermieden werden.
- Sektorenkopplung: Ein geflügeltes Wort. Aber im Grunde recht simpel. Denn ein weiterer effektiver Ansatz ist unter anderem die Integration der Warmwasseraufbereitung und das Laden von Elektroautos. Durch die Nutzung von Solarstrom zur Warmwasserbereitung mittels eines elektrischen Durchlauferhitzers, eines angesteuerten Heizstabes im Warmwasser-Pufferspeicher, einer Wärmepumpe oder einer Infrarotheizung kann eine signifikante Menge an Energie innerhalb des Haushalts genutzt werden. Ebenso bietet das Laden von Elektroautos eine ideale Möglichkeit, den überschüssigen Solarstrom effektiv zu verbrauchen. Indem man das Laden der Fahrzeuge in Zeiten hoher Sonneneinstrahlung und damit hoher Stromproduktion legt, lässt sich der selbst erzeugte Strom optimal nutzen. Argumente wie: „Das Elektroauto wird aber meistens nachts geladen – also dann, wenn kein Strom aus der Photovoltaik-Anlage zur Verfügung steht“ – können leicht entkräftet werden. Zumal ein Elektroauto selten jeden Tag voll aufgeladen werden muss, weil die durchschnittlich zurückgelegte Strecke der österreichischen Autofahrer:innen laut statistischen Erhebungen zwischen 35 und 40 km beträgt und die durchschnittliche Reichweite der E-Autos laut ADAC Ecotest im Jahr 2023 bei 393 km liegt. Mit anderen Worten: Zieht man die angeführten Werte für einen Vergleich heran, fährt man durchschnittlich 9,8 Tage mit einer vollgeladenen Batterie eines Elektroautos, ohne dass zwischenzeitlich geladen werden muss. Natürlich werden auch genügend Elektroauto-Modelle am Markt angeboten, die eine geringere Reichweite als die vom ADAC ermittelten 393 km mit einer Batteriefüllung zurücklegen können. Aber selbst für jene Fahrzeuge gibt es Lösungen: So kann eine clevere Software, die im Hintergrund arbeitet, dafür sorgen, dass das Elektroauto dann geladen wird, wenn ausreichend Strom aus den eigenen Ressourcen zur Verfügung steht. Und noch eine Info am Rande: Der Jahresbedarf eines Elektroautos beträgt durchschnittlich gerade einmal 2.000 bis 2.500 kWh.
- Energiegemeinschaften: Österreich ist auch in diesem Punkt eine »Insel der Seligen«. Seit rund zwei Jahren ist den österreichischen Konsumenten per Gesetz die Teilnahme an einer Energiegemeinschaft erlaubt (mehr dazu in einem der Artikel der aktuellen SmartGyver-Ausgabe). Damit hat die aktuelle österreichische Regierung eine Möglichkeit geschaffen, die europaweit einzigartig ist und die den Teilnehmern den Vorteil verschafft, den Eigenverbrauch zu optimieren. In solchen Gemeinschaften schließen sich mehrere Erzeuger und Verbraucher zusammen, um Energie untereinander zu tauschen bzw. einander zu verkaufen. Überschüssiger Strom kann innerhalb der Gemeinschaft verteilt werden, wodurch jeder Teilnehmer weniger abhängig von externen Energiequellen wird. Dies fördert nicht nur die lokale Energieerzeugung und -nutzung, sondern stärkt auch den Gemeinschaftssinn und die lokale Wirtschaft und entlastet die Netze.
- Dynamische Tarife: Die Nutzung dynamischer oder zeitabhängiger Stromtarife kann ebenfalls den Eigenverbrauch erhöhen. Ab dem Jahr 2025 muss laut der staatlichen Behörde, E-Control, jeder maßgebliche Stromanbieter zumindest einen derartigen Tarif im Portfolio haben. Solche Tarife incentivieren den Verbrauch von Strom zu Zeiten, in denen er am Strommarkt reichlich und günstig verfügbar ist, also genau dann, wenn die Photovoltaikanlage am meisten produziert. Dies motiviert den Endverbraucher, seinen Verbrauch entsprechend anzupassen, was zu einer weiteren Reduzierung der Stromkosten führt. Apropos Reduzierung der Kosten: Mit zugeschalteten AC-Speichern kann man billigen Strom speichern, um ihn in »teuren Tageszeiten« zu verbrauchen. Ein Speicher in der Größenordnung von bis 2.000 kWh reicht für Wohnungen im Normalfall aus.
Doch damit nicht genug: Die Kombination all dieser Ansätze führt zu einer umfassenden Strategie, die nicht nur die Effizienz der Photovoltaikanlagen maximiert, sondern auch die Umweltauswirkungen minimiert. Die Technologien und Methoden zur Steigerung des Eigenverbrauchs entwickeln sich ständig weiter, getrieben durch Fortschritte in der Technologie und durch neue regulatorische Rahmenbedingungen. Zukünftige Innovationen in der Batterietechnologie oder bei den Solarmodulen werden zweifellos noch weiter dazu beitragen, die Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Photovoltaiknutzung zu verbessern. Indem man diese Techniken und Strategien kombiniert, kann jeder Haushalt oder Betrieb seinen Teil zur Energiewende beitragen und gleichzeitig von niedrigeren Energiekosten profitieren.
Faustformeln zur Eigenverbrauchs-Steigerung
- Wer ausschließlich eine Photovoltaikanlage am Dach betreibt, schafft es in der Regel, maximal 30 % bis 40 % des erzeugten Stroms selbst zu nutzen – der Rest muss eingespeist werden.
- Wer einen Stromspeicher – also eine Batterie im Gebäude vorsieht – dazu bedarf es allerdings eines sogenannten »Hybrid-Wechselrichters« – der schafft es, den Eigenstromanteil auf rund 60 % zu steigern.
- noch interessanter wird es, wenn man Warmwasser aufbereitet, ein Elektroauto ladet oder die Heizung bzw. die Klimatisierung betreibt.
- die Königdisziplin ist, wenn on top auch noch eine clevere Software agiert, die Wetterdaten und Strommarktpreise in die Kalkulation miteinbezieht und den Eigenstromverbrauch auf diese Weise nach oben schraubt. Eine digitale Intelligenz in Kombination mit einem Stromspeicher treibt die Maximierung auf rund 85 % hoch.
- in Zukunft werden auch Konzepte wie »vehicle to home« – also, wenn das Elektroauto als Stromspeicher zur Verfügung steht – eine wesentliche Rolle in Sachen Effizienzsteigerung spielen.
Fazit
Den Betreibern von Photovoltaik-Anlagen stehen schon jetzt genügend Möglichkeiten zur Verfügung, jede selbstproduzierte Kilowattstunde in den eigenen vier Wänden zu nutzen, damit noch unabhängiger zu werden und gleichzeitig netzdienlich im Sinne der Gemeinschaft zu agieren.